In diesem Jahr steht der Weltfrauentag unter dem Motto "DigitALL: Innovation and technology for gender equality". Technologie ist ein wichtiges Instrument zur Schaffung gleicher Chancen für alle.
Als Unternehmen in der Technologiebranche glauben wir bei G&L an die Kraft von Vielfalt und Inklusion am Arbeitsplatz. Deshalb haben wir vier Frauen aus unserem Team gebeten, ihre Erfahrungen und Erkenntnisse über die Geschlechtergleichstellung in der Branche zu teilen.
Viel Spaß beim Lesen der Interviews und happy International Women's Day 2023!
Du bist Event Streaming Managerin bei G&L. Wie sieht dein bisheriger Werdegang aus?
Ich wurde in England geboren und wuchs in der San Francisco Bay Area auf, wo ich bis zum Alter von 27 lebte. 2017 bin ich nach Berlin gezogen. Das hatte ich auf Reisen kennengelernt und es hat sich sofort nach einem Ort angefühlt, an dem ich mir eine Zukunft vorstellen kann. Ich habe bereits in Kalifornien viel im Bereich Videoproduktion an der Universität gearbeitet. In der Bay Area gibt es quasi keine Chance, der Tech-Industrie auszuweichen. In Berlin habe ich mich dann komplett auf den Bereich Videoproduktion fokussiert.
Was magst du an deinem Job, was ist das Beste an deinem Arbeitstag?
Zwei Dinge. Erstens die Menschen, mit denen ich zusammenarbeite. Sie sind nicht nur brillant in dem, was sie tun, sondern auch sehr kooperativ und an Problemlösungen interessiert. Und die andere Komponente ist die Problemlösung selbst. Jeder Tag stellt eine neue Herausforderung dar. Ich empfinde Probleme nie als frustrierend, sondern viel mehr als befriedigend, wenn man am Ende herausfindet, wie sie gelöst werden können.
Konntest du Herausforderungen schon immer so schätzen? Gibt es einen Ratschlag, den du dir zu Beginn deiner beruflichen Laufbahn gewünscht hättest?
Mach dich frei von der Angst vor Versagen oder Ablehnung. Frauen werden oft mit einem hohen Perfektionsanspruch konfrontiert, was uns davon abhalten kann, Risiken einzugehen. Wenn du in deiner Karriere kalkulierte Risiken eingehst, wirst du sehr schnell lernen. Die Vorteile werden groß sein und eventuelle Misserfolge und Ablehnungen werden dir Wissen und Stärke bescheren.
Welche Botschaft möchten du Frauen oder Mädchen mit auf den Weg geben, die sich für eine Karriere im technischen Bereich interessieren?
Wenn du Interesse und Freude an dieser Arbeit hast, dann suche bitte einen Weg in diesen Bereich! Es ist ein einfaches Zahlenspiel: Je mehr Frauen wir in der Branche haben, desto mehr muss sie sich anpassen, um ein sicheres Umfeld für alle zu schaffen.
Und: Lass dich nicht vom Impostersyndrom unterkriegen und denke nicht, alle im Raum seien klüger und erfahrener als du.
Welche Auswirkungen hätte es, wenn mehr Frauen in der Technologiebranche tätig wären?
Ein wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang ist die Präsenz. Wenn du eine andere Frau siehst, die das tut, was du selbst auch tun möchtest, dann hast du ganz einfach ein Vorbild.
Das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern in der Industrie hat auch viel damit zu tun, wie die Welt weibliche Eigenschaften bewertet. Mit mehr Frauen wären Eigenschaften wie Zusammenarbeit und Mitgefühl, die oft als weiblich eingestuft werden, stärker vertreten. Meine Hoffnung wäre, dass sich dann die kulturelle Norm in der Arbeitswelt dahingehend verschiebt.
// Randa Abdelwahab
Wie ist deine Karriere bis zu deiner aktuellen Position als Full Stack Developer verlaufen?
Nach meinem Studium der Softwareentwicklung in Ägypten, habe ich sechs Jahre lang in Tech-Departments von Unternehmen gearbeitet. Längere Zeit in der gleichen Umgebung zu arbeiten, hat mich beschränkt, mich weiterzuentwickeln. Deshalb habe ich mich entschieden, aus meiner Komfortzone auszubrechen und mich schließlich bei G&L in Deutschland beworben.
Was heißt das für dich, aus der Komfortzone auszubrechen?
Dass ich mich Dingen stellen muss, die mich herausfordern oder die ich fürchte. Zum Beispiel, dass ich Angst habe, nicht gut genug zu sein. Wie ich es auch von vielen anderen Frauen weiß, habe ich oft das Gefühl, perfekt sein zu müssen. Das kann dazu führen, sich bei einer Stellenausschreibung nicht zu bewerben, wenn man nicht alle Anforderungen zu 100 Prozent erfüllt. Es ist ein großer Schritt hier den Mut aufzubringen, sich zu sagen: Das, was ich heute noch nicht kann, werde ich in der Lage sein, dazuzulernen.
Gibt es Herausforderungen in technischen Berufen, vor denen vor allem Frauen stehen?
Es gibt noch immer ein großes Ungleichgewicht in der Geschlechterverteilung: Der Anteil von Frauen bei großen High-Tech-Unternehmen beträgt nur etwa 28 Prozent. Das kann dazu führen, dass Frauen sich isoliert fühlen und Schwierigkeiten haben, sich zu vernetzen und Karrieremöglichkeiten zu finden.
Gab es Menschen in deiner Umgebung, die dich zu deiner Berufswahl inspiriert haben?
Mein älterer Bruder ist früh in die Branche eingestiegen und ich fand es immer faszinierend, wie er alles mit der Kommandozeile und dem Programmieren von Code kontrollieren konnte. Außerdem haben meine Eltern mich ermutigt, in einem Bereich zu arbeiten, der bei den schnellen Veränderungen der Welt mithält.
Die ursprüngliche Entscheidung für die Tech Branche war also auch Vernunft getrieben?
Ja, tatsächlich. Aber nach meinem zweiten Studienjahr bin ich total leidenschaftlich geworden, als ich mein erstes Programm entwickelt und die ersten Ergebnisse gesehen habe. Ich habe mich in diese Tätigkeit verliebt und plötzlich nur noch Einsen bekommen. Das hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, zu lieben, was man tut.
Gibt es etwas, was du gerne am Anfang deiner Karriere gewusst hättest?
Ja, ich wünschte, jemand hätte mir erklärt, dass es gut und normal ist, zu scheitern. Und, dass das nicht bedeutet, nicht gut genug oder nicht schlau genug zu sein.
Welche Botschaft hast du für Frauen oder Mädchen, die denken, eine technische Karriere sei nicht interessant für sie?
Sagt nicht, dass ihr an etwas nicht interessiert seid, bevor ihr es nicht ausprobiert habt. Versucht vielleicht einfach mal nur mit HTML herumzuspielen. Ihr müsst ja nicht gleich an die Uni gehen. Es gibt viele Online-Projekte und Ressourcen. Es ist heutzutage so einfach, sich Informationen zu beschaffen und in etwas gut zu werden.
// Ines Nogueira
Wie sah dein beruflicher Weg bis zu deiner jetzigen Position als Full Stack Developer bei G&L aus?
Ich habe in meiner Heimat Portugal als Tontechnikerin gearbeitet. Ich habe mich schon immer für Filme und Musik begeistert, also schien das eine logische Wahl zu sein. Mein Vater war in der IT tätig, weshalb ich früh Zugang zu Computern hatte. Mit dem Coden habe ich in Tumblr angefangen, wo man alles in CSS machen konnte, was ich am Ende auch für all meine Freunde gemacht habe. Ich habe schließlich beschlossen nach Deutschland zu ziehen, weil ich mehr Möglichkeiten gesucht habe, im Bereich Sound und Technik zu arbeiten. In einer Zusatzausbildung in Berlin habe ich meine Coding-Skills dann erweitert.
Hat dich etwas oder jemand dazu inspiriert, eine Karriere im technischen Bereich einzuschlagen?
Durch meinen Vater in der IT hatte ich ja Zugang zur Technik. Aber meine eigentliche Inspiration kam von all den starken und unabhängigen Frauen in meiner Familie. Es geht einfach auch viel darum, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, sich von niemandem abhängig zu machen und immer voranzukommen. All das kann dir das Coden bieten.
Inwiefern bietet dir denn das Coden Unabhängigkeit und die Möglichkeit, dich immer weiterzuentwickeln?
Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, versuche ich es eigenständig zu lernen. Beispielsweise war ich daran interessiert, dass mein Tumblr gut aussieht. Also habe ich nach Möglichkeiten gesucht, dies zu erreichen, und übte so lange weiter, bis ich gut darin war. Ich bin auch dabei geblieben, weil es beim Coden nie langweilig wird. Man lernt immer wieder etwas Neues - es ist einfach kein Ende in Sicht.
Gibt es einen Ratschlag, den du dir am Anfang deiner Laufbahn gewünscht hättest?
Sei darauf vorbereitet, viele Male falsch zu liegen, und dann mach weiter! An alle Frauen: Überprüft immer wieder, ob ihr euch selbst in Frage stellt, weil ihr tatsächlich etwas falsch gemacht habt oder weil ihr eine Frau seid.
Andersherum gefragt: Welchen Rat würdest du Frauen oder Mädchen geben, die sich für eine Karriere im technischen Bereich interessieren?
In den letzten zehn Jahren hat sich eine Menge getan. Zumindest in der Technologiebranche sind alle sehr aufgeschlossen. Ich glaube, wir sind an einem Punkt angekommen, an dem es wichtiger ist, unterschiedliche Inputs zu haben, als ein homogenes Konglomerat zu sein. Unterschiede sind endlich willkommen, weil sie zu besseren Ergebnissen führen. Wir brauchen dringend unterschiedliche Perspektiven. Mit anderen Worten: Feiere deine Einzigartigkeit, verstecke sie nicht!
// Sue Wiebe
Du arbeitest als Head of Sales und Marketing bei G&L, wie beschreibst du deinen beruflichen Werdegang?
Ich habe mich bereits im Studium in unterschiedlichen Fächern ausprobiert – sogar Regionalwissenschaften Asien und Medizin waren dabei. Auch in den Jobs neben dem Studium habe ich versucht, möglichst viele Bereiche kennenzulernen. Als ich vor elf Jahren schließlich bei G&L gelandet bin, hatte ich zuvor bereits viel gesehen und war offensichtlich in meinem Hafen angekommen.
Wie erlebst du das Geschlechterverhältnis in der Tech Branche?
Zahlenmäßig müssen wir an der Präsenz von Frauen in der Branche definitiv noch arbeiten. Ein Indikator, der das Ungleichgewicht eindeutig offenbart, sind die meist menschenleeren Damentoiletten auf Branchenveranstaltungen oder den Messen.
Wie könnte die Branche von einem größeren Frauenanteil, vielleicht auch speziell in Führungspositionen, profitieren?
Es ist ja längst kein Geheimnis mehr, dass mehr Diversität in Unternehmen zu besseren Ergebnissen und Entscheidungen führt. Wie im gesamten Leben kann man den für alle besten Weg gehen, wenn man eine Sache zunächst aus verschiedenen Perspektiven betrachtet hat. Unternehmen müssen vielleicht noch mehr erleben, dass mehr Vielfalt auch mehr Ideen und Innovationen hervorbringt und am Ende wirtschaftliche Vorteile entstehen, die sich sogar in Zahlen auf dem Papier messen lassen.
Glücklicherweise ist es mittlerweile old-fashioned, Frauen aufgrund ihres Geschlechts nicht ernstzunehmen. Aber ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass es gar kein Mansplaining mehr gibt.
Was würdest du Frauen oder Mädchen für ihre berufliche Laufbahn gerne mit auf den Weg geben?
Lasst euch nicht dazu drängen, immer nur geradeaus zu gehen. Probiert euch aus, geht auch mal kleine Nebenstraßen, wenn euch danach ist. Vertraut darauf, dass Umwege nicht umsonst sind. Jeder Job erfordert neben der fachlichen Qualifikation auch unglaublich viele Softskills und manchmal kann es sehr hilfreich sein, ein bisschen was von der Welt gesehen zu haben.
Dein eigener Werdegang gibt dir Recht. Welcher Ratschlag hätte dir zu Beginn deiner Karriere vielleicht trotzdem weitergeholfen?
Also, ich bin schon manchmal selbst in Stress geraten, wenn ich wieder etwas Neues angefangen habe. Zum einen habe ich mich gefragt, was mein Umfeld dazu sagen wird und zum anderen, ob ich das überhaupt schaffen werde. Da wäre es schön gewesen, wenn mir jemand gesagt hätte: „Ja, warum denn nicht? Du hast doch auch Chinesisch gelernt…“ Mein Ratschlag ist daher: Keine Angst vor Neuem!